Heute komme ich dazu endlich etwas zu schreiben. Vergangene Woche hatte ich fast zwangsweise Zeit etwas zu unternehmen. Mit Zeitlimit. Denn Freitag war dann der Geburtstag meiner Gastsschwester (inzwischen habe ich alle Geburtstage der Gastfamilie durch… oder fast alle, wenn man auch Großeltern und Cousins/Cousinen einrechnet). Anstand gebietet da dann schon irgendwie, dass ich da dann auch dabei bin. Außerdem ist Gaby Konditorin/Tortenbäckerin und somit normalerweise für die Geburtstagskuchen zuständig und interessanterweise sind hier die Kuchentraditionen komplett anders. Wenn bei uns (oder zumindest in meinem Umfeld) schon der geringste Umstand ausreicht einen Kuchen zu backen (welcher Vortrag heute kommt schon ohne saftigen Schokoteig aus?), dann sind Kuchen hier eher etwas für die größeren Anlässe. Eben üblicherweise Geburtstage. Dann bäckt man auch keinen Kuchen selbst, sondern kauft einen mit Fondant verzierten Kuchen inklusive lustigen Figuren obendrauf. Tja, mein Plan war ein einfacher Zitronenkuchen, auch weil hier Obstkuchen nicht so richtig verbreitet ist… trotz tonnenweise frischem Obst. Blechkuchen sucht man hier ebenfalls vergeblich, dabei klappt der selbst mit grünen Mangos ganz gut (schmeckt knackig-säuerlich).

 

Kuchen hin, Kuchen her, ich wollte etwas unternehmen um die Zeit zu überbrücken, bis meine Flossen endlich aus dem Zoll raus sind (inzwischen sind es schon über drei Wochen). Da ich gut akklimatisiert bin und das nicht aufgeben möchte, da ich ja noch zwischen Frailejones schnorcheln möchte, war klar, dass es ein Ziel in der Sierra sein muss, das ich auch von Otavalo idealerweise gut erreichen könnte. Glücklicherweise hatte ich hier schon gesehen, dass es auch Busse direkt in den Süden gibt, ohne dem Umweg Quito (laut meinem Reiseführer der einzige Weg), wo allein der Wechsel zwischen den beiden Busterminals schon etwa zwei Stunden frisst. Mit fünf Tagen (Sonntag bis Donnerstag) dachte ich dann, die Zeit würde nicht reichen, um viele Orte zu besuchen und entschied mich dann, wie bereits erwähnt und schon gepostet für den Quilotoa-Loop, eine der Hauptattraktionen hier in Ecuador. Der soll, laut diverser Beschreibungen zwischen 3 und 5 Tagen dauern. Also mit An- und Abreise genau richtig. Nachdem aber in Latacunga ein italienisches Pärchen auf Hochzeitsreise ebenfalls nach Quilotoa wollte, musste ich nicht einen Tag auf den nächsten Bus warten (denn die gehen nur vormittags direkt), sondern konnte ab Zumbahua eine Camioneta teilen. Nach dem sicherne iens Zimmers ging es dann auch gleich an die Lagune runter, die bislang der für mich touristischste Ort hier war. Wenn ich schätzen müsste, dann würde ich sagen, dass etwa dreihundert Leute auf dem Weg zur Laguna beziehungsweise wieder zurück unterwegs waren. Vornehmlich jedoch Ecuadorianer. Die 300-400 Höhenmeter auf kurzer Strecke, die der Rückweg vom See ins Dorf auf 3800m Seehöhe bedeutet, sind dabei zwar durchaus für Menschen mit weniger Kondition eine Herausforderung, aber ganze Kohorten an Maultieren sorgen dafür, dass auch Menschen mit weniger alpinen Ambitionen bequem zurückfinden. Direkt am See könnte man sich auch ein Kanu für zwei Personen nehmen und herumpaddeln. Grundsätzlich hätte mich das durchaus gereizt, aber mit Kameraausrüstung war es mir dann doch zu heikel.

 

Nachdem ich bislang meistens die Natur für mich alleine genießen konnte und Quilotoa ein Pueblo de Gringos mit mehr Hostels wie Wohnhäusern ist, musste ich mich doch fragen, ob die Laguna Quilotoa wirklich ihrem Anspruch als Hauptattraktion des Landes gerecht wird. Ja. Irgendwie doch. Cuicocha ist ebenfalls eine wunderbare Kraterlagune, etwas größer, mit Inseln und damals, an einem Samstag, fast ohne andere Menschen… aber trotzdem besitzt die Laguna Quilotoa ihren eigenen Charme, umgeben von einer völlig anderen Berglandschaft. Wenn man unter der Woche kommt, sollte man dann auch tatsächlich mehr für sich genießen können und wenn man den Kratergrat entlangwandert, dann ebenfalls. Nach dem Versuch, den Sonnenaufgang über der Lagune zu fotografieren (glücklicherweise hatten Lorenza und Roberto, mit denen ich mir das Zimmer teilte, dasselbe Ziel), der leider an den Wolken scheiterte, und einem Frühstück, trennten sich unsere Wege und während die beiden ihre Flitterwochen fortsetzten, hielt ich erstmal die Luft an. Interessehalber. Denn ich wollte für die Bergseen wissen (wenn dann die Flossen da sind), wo mein Limit liegt. Mit knapp über 80 Sekunden auf über 3800m lag das zum Glück deutlich höher als ich befürchtet hatte.

 

Dann ging es weiter nach Chugchilán, der ersten Station auf dem Quilotoa-Loop. Allerdings hatte ich mir spontan eine etwas andere Route ausgesucht, die für ein kurzes Stück neben der Straße und nicht über den Wanderweg entlangging, aber dafür auf der anderen Hangseite lag, gefühlt (den Vergleich kenne ich ja nicht) eine bessere Aussicht und ein nettes Gespräch mit einem niederländischen Hydrologen, der mit Freundin radelnderweise (wen wundert’s?) unterwegs war, ergab. Bei der Cascada de Golondrinas traf ich dann auf ein anderes niederländisches Pärchen, mit dem ich dann den Rest des Weges nach Chugchilán forsetzte. Dort nahmen sich die beiden ein Camioneta ins nächste Dorf, während ich mir ein Zimmer suchte. Im großen Cloud Forest Hostel fand ich dann für 15 Dollar ein Bett in einem dormitorio, aber immerhin mit 2 Mahlzeiten. Da ich in zweierlei Hinsicht gut in der Zeit lag, entschloss ich mich einerseits, am nächsten Tag Richtung Guaranda/Chimborazo weiterzuziehen um noch etwas anderes zu sehen und andererseits noch etwa 5,5 km bergauf in einen Wolkenwald eines nahegelegenen Reservas zu wandern. Dort oben fand ich nach einer goldenen Graslandschaft nicht nur Nebel und Wolken, sondern auch eine Fülle an Vögeln, vor allem (vermutlich) zwei für mich neue Spezies an Kolibris, eine davon ziemlich rehbraun. Zufrieden und auch etwas erschöpft nach ~30km Tagesmarschleistung kam ich dann knapp vor dem Abendessen im Hostel an, genoss im Anschluss noch eine warme Dusche (ja, ab und zu ist mehr als 10° auch ganz nett) und nach kurzem Schlaf, nahm ich den letzten Bus nach Latacunga um 6 Uhr, von wo aus es nach Ambato und von dort aus weiter nach Guaranda ging.

 

In Guaranda wollte ich nur die Nacht verbringen, um etwa um 6 Uhr einen Bus Richtung Ambato zurück zu nehmen, mich an der Kreuzung nach Riobamba inmitten des Reserva Chimborazo abzusetzen, rauf zum Infozentrum zu wandern, dort eventuell einen kurzen Abstecher zum Bosque de Polylepis zu machen und dann Richtung Riobamba zu wandern, so weit mich meine Füße tragen. Wegen eines Wegschildes, das leider in die falsche Richtung wies, verpasste ich den Wald, aber dafür sah ich schon beim „Aufstieg“ (von >4100 auf >4400m) eine Unmenge an Vicunjas in der sonnigen Wüstenlandschaft stehen. Eine kurze Windpause nutzte ich zum Fotos schießen, da ich bei dem vielen Sand in der Luft Sorge um meine Ausrüstung hatte, insbesondere beim Objektivwechsel. Den Rest der Zeit nutzte ich, um die Landschaft und das Wetter zu genießen und so laut ich konnte zu singen. Durch den starken Wind bestand nämlich keinerlei Gefahr, dass mich irgendjemand hätte hören können, nachdem selbst die Vicunjas auf „Enter Sandman“ frühestens in zwanzig Metern Entfernung reagierten (oder weil sie mich gesehen hatten). Eine besondere Erfahrung waren auch die rasenden Schatten der Wolken, die nur knapp über der extrem flachen Hochebene mit 20-30 km/h hinwegzogen. Der Wüsteneindruck verstärkte sich auch durch die wilden Verwandten des Alpakas, denen man an der Statur wunderbar ansah, dass es sich um Neuweltkamele handelt. Auch wenn ich dummerweise einen schönen Wald verpasst hatte, war die Wanderung an sich sicher eine der schönsten meines Lebens bislang und definitiv die höchstgelegene. So schön, dass ich am liebsten zurückkehren würde um gleich noch den Chimborazo zu erklimmen. Aber manchmal lohnt es sich, sich schöne Dinge etwas aufzusparen.

 

So und um mir das nicht länger aufzusparen, werde ich jetzt noch etwas Chimborazo-Bilder bearbeiten und über diesem Beitrag posten…